Was sind Kompressionsstiefel und wie funktionieren sie?

Gesundheit und Wellness

Expert:innen erklären alles, was du wissen musst, bevor du Kompressionsstiefel zur Regeneration nach dem Sport einsetzt.

Letzte Aktualisierung: 11. Mai 2023
6 Min. Lesezeit
Was sind Kompressionsstiefel und wie funktionieren sie?

In den letzten Jahren haben sich Kompressionsstiefel zu einer beliebten Regenerationsmethode für Athlet:innen entwickelt.

Vielleicht hast du die aufblasbaren Stiefel schon einmal in einer Physiotherapiepraxis gesehen. Der Grund dafür? Durch die Kompressionswirkung der Stiefel lässt sich Muskelkater nachweislich lindern und die Durchblutung wird gefördert. Doch wie funktionieren die Regenerationsstiefel wirklich? Und sind sie ihr Geld wert? (Die meisten Kompressionsstiefel kosten zwischen einigen hundert und tausend Euro.)

Im Folgenden erklären Physiotherapeut:innen und zertifizierte Personal Trainer:innen, wie die Kompressionstherapie funktioniert, welche Wissenschaft hinter den Regenerationsstiefeln steckt und wie du das Beste aus deinem Regenerationsprogramm herausholen kannst.

(Verwandter Artikel: Was ist der Unterschied zwischen Dry Needling und Akupunktur?)

Was sind Kompressionsstiefel?

Kompressionsstiefel sind aufblasbare Stiefel mit mehreren hohlen Kammern, die über Füße, Unterschenkel und Oberschenkel gezogen werden. Sie werden nacheinander mit Luft gefüllt und komprimieren jeweils einen Teil des Unterkörpers – angefangen bei den Füßen bis hin zur Hüfte.

Dieses Verfahren wird als intermittierende pneumatische Kompression (Intermittent Pneumatic Compression; IPC) bezeichnet und von Ärzt:innen seit langem eingesetzt, um Schwellungen an Füßen und Beinen bei Patient:innen mit schweren Erkrankungen wie Lymphödemen, tiefen Venenthrombosen oder Lungenembolien zu reduzieren.

Wie funktionieren Kompressionsstiefel?

Bei Patient:innen mit Ödemen helfen Kompressionsstiefel dabei, sauerstoffarmes Blut aus der unteren Körperhälfte zurück zum Herzen zu befördern.

"Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde man eine Zahnpastatube von unten ausdrücken", sagt Audra Wilson, Kraft- und Konditionstrainerin.

Bei Athlet:innen funktioniert intermittierende pneumatische Kompression weitgehend gleich – allerdings wird nicht nur Blut nach oben gepresst. Auch Entzündungen, die nach dem Sport auftreten können, lassen sich damit lindern.

"Kompressionsstiefel tragen dazu bei, dass die 'schlechten' Stoffwechselprodukte aus den Beinen in den Blutkreislauf gelangen und durch den Körper gepumpt werden", erklärt Sam Becourtney, Physiotherapeut sowie Kraft- und Konditionstrainer. "So gelangt 'frisches', mit Sauerstoff angereichertes Blut zu den beanspruchten Muskeln, was die Heilung und Regeneration fördert."

Die möglichen Vorteile von Kompressionsstiefeln

Befürworter:innen argumentieren, dass Kompressionsstiefel den Körper dazu anregen, Stoffwechselprodukte (z. B. Laktat) nach dem Training abzutransportieren, wodurch sich Wasseransammlungen, Entzündungen und Muskelverspannungen reduzieren lassen. Außerdem werden mit dem frischen Blut auch gewebereparierende Komponenten zu den geschädigten Muskeln transportiert, was die Regenerationszeit verkürzen und die Trainingsergebnisse verbessern kann, so Becourtney.

Wichtig zu wissen ist jedoch, dass der Körper dies nach jedem Training automatisch selbst tut – mit oder ohne externe Unterstützung. Inzwischen hat sich gezeigt, dass auch andere Regenerationstechniken wie Yoga oder der Einsatz einer Faszienrolle ähnliche Ergebnisse liefern.

Die überwiegende Mehrheit von Athlet:innen – besonders diejenigen, die sich zwischen den Trainingseinheiten bereits ausreichend erholen – wird mit Kompressionsstiefeln wahrscheinlich keine nennenswerten Verbesserungen erzielen.

Bei Profi- oder Leistungssportler:innen können sie jedoch den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen oder gar das Verletzungsrisiko reduzieren. Viele dieser Athlet:innen gehen bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit. Wenn dies der Fall ist und die Athlet:innen nur wenige Stunden Zeit haben, sich zwischen Trainingseinheiten oder Wettkämpfen zu erholen, kommt es auf jedes Bisschen an, erklärt Wilson.

Funktionieren Regenerationsstiefel wirklich?

Mehrere Studien zeigen übereinstimmend, dass intermittierende pneumatische Kompression die Durchblutung der unteren Körperhälfte verbessert. Die Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen auf die Erholung nach dem Training sind jedoch relativ neu und teilweise widersprüchlich.

Manche Untersuchungen deuten beispielsweise darauf hin, dass Kompressionsgeräte die Beweglichkeit erhalten und Muskelverspannungen in den Tagen nach einer intensiven Belastung reduzieren können. In einer Studie, die 2020 im International Journal of Exercise Science veröffentlicht wurde, berichten Langstreckenläufer:innen jedoch, dass sie nach der Verwendung von Kompressionsstiefeln nicht weniger Muskelkater hatten.

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021 kam zu dem Schluss, dass intermittierende pneumatische Kompression Muskelkater zwar kurzfristig lindern kann, aber wahrscheinlich nicht die Marker für trainingsbedingte Muskelschäden bei Athlet:innen reduziert.

Funktionieren Kompressionsstiefel also tatsächlich? Das hängt womöglich von der Athletin bzw. dem Athleten ab – und von ihrer bzw. seiner Einstellung dazu.

"Die Macht der Gedanken und die Schmerzpsychologie sind nicht zu unterschätzen", so Becourtney. "Unabhängig von der tatsächlichen Physiologie oder dem Mechanismus, der dahinter steckt, spürt man beim Tragen der Stiefel auf jeden Fall, dass etwas im Körper passiert, und das allein ist schon von großem Wert."

So verwendest du Kompressionsstiefel

Du möchtest Kompressionsstiefel ausprobieren? Nur zu! Teste sie ganz einfach in deinem Fitnessstudio oder in einer Praxis für Physiotherapie. Letztlich kannst nur du selbst entscheiden, ob sie sich für dich lohnen oder nicht.

Bevor du eine neue Regenerationsmethode ausprobierst, ist es jedoch immer eine gute Idee, dir ärztlichen Rat einzuholen.

  1. 1.Sprich vor der Verwendung mit einer Physiotherapeutin bzw. einem Physiotherapeuten

    Auch wenn Kompressionsstiefel relativ risikoarm sind, ist es immer besser, sie unter Aufsicht einer Physiotherapeutin bzw. eines Physiotherapeuten auszuprobieren, bevor du sie alleine benutzt. Nach einer Operation oder Verletzung solltest du dir laut Becourtney unbedingt grünes Licht von deiner Ärztin bzw. deinem Arzt geben lassen, bevor du Kompressionsstiefel verwendest.

  2. 2.Trag lockere Kleidung

    Zieh deine Schuhe und jegliche komprimierende Kleidung aus, bevor du die Stiefel überziehst. Die zusätzliche Kompression des Geräts kann sonst nämlich schnell zu stark oder unangenehm werden, erklärt Becourtney.

  3. 3.Halte die Sessions kurz

    Deine Physiotherapeutin bzw. dein Physiotherapeut kann dir empfehlen, wie lange du die Kompressionsstiefel tragen solltest. 20 Minuten reichen jedoch für die meisten Athlet:innen aus.

    Kompressionsstiefel sollten nicht länger als 30 oder 40 Minuten am Stück getragen werden, rät Becourtney.

  4. 4.Zieh sie nach dem Training über

    Kompressionstherapie ist am besten nach anstrengenden Trainingseinheiten wie z. B. Gewichtheben, Laufen oder Radfahren geeignet, so Becourtney. Zieh dir die Schuhe nach deinem Cool-down über, um den Regenerationsprozess einzuleiten.

  5. 5.Verwende sie als Ergänzung zur Regeneration

    Regenerationsstiefel sind kein Ersatz für leichtes Regenerationstraining, Dehnübungen, Faszienrollenmassagen und gute Ernährung, fügt Wilson hinzu. Sie dienen lediglich dazu, dein reguläres Regenerationsprogramm abzurunden.

Text von K. Aleisha Fetters, Kraft- und Konditionstrainerin

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Ursprünglich erschienen: 4. Mai 2023

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