Frag den Coach: "Wie entwickle ich eine Teammentalität?"

Coaching

Coach Patrick Sang hat einige überraschende Ratschläge für eine junge Schwimmerin, die nicht nur dabei sein, sondern siegen will.

Letzte Aktualisierung: 10. August 2021
6 Min. Lesezeit
So erzeugt man einen tollen Teamgeist – Tipps von Coach Patrick Sang

Frag den Coach liefert dir Tipps und Ratschläge, die dich dabei unterstützen, dein Spiel aufs nächste Level zu bringen.

F:

Hallo Coach,

Ich bin in der Schwimmmannschaft der Mädchen meiner High School. Wir sind wirklich gut. Wir haben viele Teamevents gewonnen – aber wir treten auch einzeln in Rennen gegeneinander an. Meine Teamkameraden gehören zu meinen engsten Freunden. Aber sobald wir ins Becken steigen, möchte ich sie alle schlagen. Ich bin so besessen davon, die Beste zu sein, dass ich anfange, meine Interessen vor das Team zu stellen. Ich mache kleine Gedankenspiele, um die anderen zu verunsichern. Und ich bin sogar verschwiegen über Dinge außerhalb des Sports, wie meine Ernährung, ob ich zusätzliche Workouts mache, und wie viel Schlaf ich bekomme. Ich weiß, es ist egoistisch, und ich fühle mich nicht gut dabei. Diese Spielchen führen aber auch dazu, dass meine Performance leidet. Kann ich eine gute Teamkameradin und die beste Schwimmerin im Team sein?

SOLO (Stroke Often Leading Others)
16-jährige Schwimmerin

A:

Vielleicht kennst du den Satz: Das Team geht vor. Vielleicht hörst du das gerade überall. Aber ich kann dir sagen, dass es in Ordnung ist, einzeln trainieren und konkurrieren zu wollen. Ich kann dir auch sagen, dass es Skills und Stärken gibt, die du im Gruppentraining gewinnen wirst und die dir dann dabei helfen werden, "sie alle zu schlagen".

Vielleicht erkennst du, dass du nicht besser sein musst als alle anderen. Du musst nur besser sein, als du gestern warst.

Wenn du bei einem meiner Laufcamps dabei warst, sahst du Athlet:innen in einer Gruppe trainieren. Aber wir trainieren immer mit dem Wissen, dass eine Gruppe aus Einzelpersonen besteht. Das Erste, was ich mache, wenn ich neue Sportler:innen trainiere, ist, sie als Individuum kennenzulernen: ihre sportlichen Stärken, ihr Bildungsniveau und das, was sie zum Wettkampf treibt. Auf diese Weise kann ich meinen Coaching-Stil personalisieren, um all meinen Läufern:innen dabei zu helfen, ihre Ziele festzulegen und zu erreichen.

Ich habe festgestellt, dass Athlet:innen konsequenter auf diese individuellen Ziele hinarbeiten können, wenn sie als Team arbeiten. Beim Laufen zum Beispiel, wenn Athlet:innen ihre Ausdauer und Kontrolle verbessern möchten, kann das Training mit vier oder fünf anderen Läufern:innen helfen. Wenn das Individuum Teil der Gruppe bleibt, anstatt die ganze Zeit zu führen, lernt die Person, Energie zu sparen, über längere Zeiträume miteinander zu konkurrieren und die Gänge zu wechseln, wenn es drauf ankommt.

Es hört sich an, als wolle man jeden um sich herum überflügeln, wenn man trainiert und konkurriert. Dies ist in beiden Situationen nicht unbedingt hilfreich.

So erzeugt man einen tollen Teamgeist – Tipps von Coach Patrick Sang

Nehmen wir an, ich habe eine Läuferin oder einen Läufer mit einer 5.000-Meter-Zeit von 13 Minuten, 30 Sekunden. Und nehmen wir an, diese Person nimmt an einem Rennen Teil, bei dem 20 Prozent der Athlet:innen unter 13 Minuten laufen. Sollte sie sich um diese 20 Prozent Sorgen machen? Nein, sie sollte sich darauf konzentrieren, ihre eigene Zeit auf 13 Minuten, 20 Sekunden zu verbessern. Wenn du versuchst, deine Ziele basierend auf dem, was andere tun können, anzupassen, übertreibst du es am Ende. Und das birgt die Gefahr, dich zu verletzen, entmutigt zu werden oder sogar eine mentalen Blockade zu entwickeln.

Wenn du dich jedoch auf etwas konzentrierst, was du tun kannst, nimmt das ein wenig Druck raus. Selbst während eines Wettbewerbs mit viel Druck könnte man Selbstgespräche führen und sagen: "Das ist eine Gelegenheit für mich, mich selbst zu pushen, mich zu verbessern." Bald wird dir klar, dass du nicht besser sein musst als alle anderen. Du musst nur besser sein als gestern. Und mit diesem kleinen bisschen mentalem Freiraum kannst du dich vielleicht auch an den Erfolgen deiner Teamkollegen erfreuen.

Ich begann sogar zu coachen, während ich noch beruflich lief. Und manchmal trainierte ich Teamkameraden, gegen die ich auch im Einzelwettbewerb antreten würde. Ich trainierte schließlich einen von ihnen, Bernard Barmasai, auf einen Hindernislauf-Weltrekord im Jahr 1997. Übrigens lief ich im selben Rennen meinen persönlichen Rekord.

War ich eifersüchtig auf Bernard und seine Goldmedaille? Ganz und gar nicht. Ich fühlte mich Bernards Sieg einbezogen, also erhielt auch ich die emotionale Belohnung für seinen Sieg. Und ich fühlte mich auch unglaublich stolz auf meine persönliche Leistung, weil ich wusste, dass ich alles gegeben hatte. Ich verspreche dir Folgendes: Wenn du dich darauf konzentrierst, dein volles Potenzial auszuschöpfen, wirst du auch unabhängig vom Ergebnis zufrieden sein.

Trotz all dieser Bedenken musst du nicht immer auf alles Rücksicht nehmen. Manchmal kann ein bisschen "Egoismus" dich antreiben. Wenn du denkst, dass du nicht genügend Gelegenheit hast, als einzelner Teilnehmer zu trainieren, solltest du das mit deinem Trainer besprechen.

Ich war in einer ähnlichen Situation wie ein College-Athlet im Langlaufteam der Uni. Unser morgendliches Gruppentraining endete kurz vor Beginn unserer ersten Unterrichtsstunde des Tages. Und es war einfach zu viel für uns. Als Team gingen wir zu unserem Coach und sagten ihm, dass wir lieber individuell trainieren würden. Zuerst zögerte er. Aber wir versprachen ihm, dass wir anziehen könnten, wenn es drauf ankommt. Und mit viel persönlicher harter Arbeit konnten wir in diesem Jahr alle schlagen – als Team.

Teamschulungen helfen dir als Einzelperson. Individuelle Schulungen helfen euch als Team. Und egal, worauf du dich auf lange Sicht konzentrieren möchtest, du selbst wirst dein größter Konkurrent sein wollen. Und wenn deine Teamkollegen auch gewinnen? Das gibt dir einfach mehr Chancen zu feiern.

Coach Sang

Patrick Sang ist Laufcoach und ehemaliger Spitzenläufer aus Kenia. Als internationaler Läufer für Kenia hat er bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1991 und 1993 sowie bei den Olympischen Spielen 1992 die Silbermedaille im 3.000-Meter-Hindernislauf gewonnen. Während seiner College-Zeit an der University of Texas at Austin stellte Sang den Schulrekord beim 3.000-Meter-Hindernislauf auf.

Schick uns deine Frage zu Mindset, Sport oder Fitness per E-Mail an askthecoach@nike.com.

Fotos: Kyle Weeks

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Ursprünglich erschienen: 20. Juli 2021

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