Solltest du trainieren, auch wenn du Schmerzen hast?
Gesundheit und Wellness
Muskelbeschwerden nach dem Training sind nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis, wenn du weißt, wie du den Unterschied zwischen einem typischen Muskelkater und ernstzunehmenden Schmerzsignalen erkennst.
Wenn du beim Trainieren nach dem Motto "Ohne Fleiß, kein Preis" lebst und das selbst dann, wenn du bereits ordentlich Muskelkater verspürst, dann betreibst du eine Gratwanderung zwischen enormen Gewinnen und möglichen Verletzungen.
Muskelbeschwerden nach dem Training sind nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis. Im Gegenteil, sie sind sogar ganz normal, vor allem nach einem intensiven Workout. Allerdings ist es ein wahrer Balanceakt, ob du lieber noch ein paar Wiederholungen einbaust oder dich lieber erholst oder Crosstraining machst. Wenn du trotz Muskelbeschwerden trainierst, muss dich das noch nicht unbedingt außer Gefecht setzen. Vorausgesetzt, du erkennst noch den Unterschied zwischen einem typischen Muskelkater und ernstzunehmenden Schmerzsignalen. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wie du deinem Körper Erholung gönnst, wenn Muskelbeschwerden zuschlagen.
Eines ist ganz sicher: Muskelbeschwerden solltest du nicht als Benchmark für deinen Fortschritt betrachten, sondern eher als ein wichtiges Warnsignal deines Körpers.
Warum bekommst du von deinem Workout Muskelkater?
Eine der häufigsten Arten von Muskelbeschwerden, von der sowohl Einsteiger:innen als auch Profis nach ihrem Workout betroffen sein können, ist der Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness, DOMS). Dieser unterscheidet sich von akuten Muskelbeschwerden, die du während eines Workouts aufgrund der Ermüdung deiner Muskeln verspürst und die in der Regel eine Stunde nach Ende des Workouts wieder verschwinden.
Nick DiSarro, P.T., D.P.T., O.C.S., C.E.A.S., hochqualifizierter Sportphysiotherapeut und Director of Operations bei ResilientRX in Austin gibt zu, dass die aktuelle Forschung das Entstehen von Muskelkater noch nicht vollständig erklärt. Er erklärt, dass sehr wahrscheinlich mehrere Faktoren wie Entzündungen und mikroskopische Muskelrisse dafür verantwortlich sind. Die Zeiten, in denen man dachte, dass die Ansammlung von Milchsäure der Grund für Muskelkater sei, sind dank jüngster Forschungsergebnisse Geschichte.
Ein wichtiger Fakt ist jedoch, dass Muskelbeschwerden nicht der Gradmesser dafür sein sollten, ob dein Workout erfolgreich war oder nicht. "Nur weil du Muskelbeschwerden hast, heißt das noch nicht automatisch, dass dein Workout effektiv war oder du es übertrieben oder etwas falsch gemacht hast", erklärt DiSarro. "Entscheidend ist, wie du dich fühlst und was du aushältst."
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Megan Steele, P.T., D.P.T., Trainings-Physiologin, Physiotherapeutin und Fakultätsmitglied der Mount Saint Mary’s University aus Los Angeles, erklärt zudem, dass durch das Training hervorgerufene Muskelschäden am häufigsten beim Dehnen unserer Muskeln nach einem Workout auftreten. Stell dir folgende Beispiele vor: Verhärtete Waden beim Treppensteigen nach einem Long Run oder Druckschmerzen im Quadrizeps beim Hinsetzen nach Squats.
"Muskelbeschwerden durch Trainieren treten auf, wenn kleine Muskelschäden, die auch als durch Training hervorgerufene Muskelschäden bezeichnet werden, und der damit assoziierte Entzündungsprozess aufgrund der mechanischen Überbelastung der Muskeln eintreten. Dieser Schmerz ist oftmals dumpfer und schmerzhafter und erstreckt sich über den gesamten Muskel", so Steele. "Das sind normale Anzeichen von Muskelbeschwerden."
Wie erkennst du, ob du dich verletzt oder nur Muskelkater hast?
Wenn Muskelbeschwerden nichts Außergewöhnliches sind, wie unterscheidet sich Muskelkater von einer ernsten Verletzung? Wenn folgende Punkte zutreffen, dann sind deine Muskelbeschwerden wahrscheinlich keine ernste Verletzung:
- Die Beschwerden treten erst mit einer Verzögerung auf. Wenn Muskelbeschwerden in den Tagen nach deinem Workout auftreten, kannst du davon ausgehen, dass es sich um Muskelkater handelt. "Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, wenn die Muskelbeschwerden etwas später auftreten", erklärt DiSarro. "Diese Beschwerden können zwischen 24 und 72 Stunden nach deinem Workout auftreten, [auch wenn] du in den ersten 12 bis 24 Stunden keinerlei Beschwerden hattest."
- Die Beschwerden klingen nach 72 Stunden wieder ab. Wenn du tatsächlich einen Muskelkater hast, sollte dieser in den Tagen nach deinem Workout wieder abklingen (akute Muskelbeschwerden sollten bereits eine Stunde nach dem Training wieder abgeklungen sein). "Die gute Nachricht ist, dass Muskelbeschwerden zeitlich sehr begrenzt auftreten", gibt Steele zu bedenken. "Wenn sie länger als ein paar Tage anhalten, [...] solltest du eventuell einen Arzt oder Physiotherapeuten aufsuchen."
- Die Muskelbeschwerden sind ein dumpfer Schmerz. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass du Beschwerden in Gegenden hast, die überhaupt nicht Teil deines Workouts waren. Steele merkt an, dass du eventuell Beschwerden im Core und Po hast, selbst wenn dein Workout für die Beine war. Das ist vor allem bei Stabilitätsübungen nichts Ungewöhnliches. Wenn deine Muskelbeschwerden von stechenden oder plötzlichen Schmerzen begleitet werden (entweder im oder nach dem Workout), ist das laut Steele ein Indikator für mehr als nur Muskelkater.
- Es gibt keine sichtbaren Schwellungen. Auch wenn Training Entzündungen zu einem gewissen Grad hervorrufen kann, hat eine Studie im Journal of Applied Physiology folgende Ergebnisse geliefert: Muskelschwellungen und Indikatoren im Blut aufgrund von tatsächlichen Muskelschäden treten erst dann auf, wenn ein Muskelkater schon abgeklungen wäre (also in der Regel vier Tage nach dem Training).
- Keine Schmerzen in Ruhephasen. Steele sagt, dass normale Muskelbeschwerden nach dem Training auftreten, "wenn wir unsere Muskeln nach einem Workout dehnen" (also Muskelbeschwerden im Quadrizeps beim Hinsetzen oder verspannte Waden beim Treppensteigen). "Einige [abnorme] Symptome von Muskelbeschwerden können Schmerzen in Ruhephasen sein oder wenn wir unsere Muskeln nicht nutzen oder sie zusammenziehen", sagt Steele.
Was kannst du tun, um nach einem Workout Muskelbeschwerden zu lindern?
Da Muskelbeschwerden oftmals normaler Teil des Trainings sind, ist es wichtig, auf Regeneration zu achten. DiSarro erklärt, dies liegt darin begründet, dass Muskelbeschwerden "ein Anzeichen dafür sind, dass du dein Muskelgewebe belastest." Die Forschung ist sich hinsichtlich des perfekten Regenerationsplans für Muskelkater noch uneins. DiSarro empfiehlt eine gute Ernährung, ausreichendes Trinken und eine gute Schlafqualität, um die Erholung deiner Muskeln zu unterstützen und anhaltende Leistung zu gewährleisten.
"Im Allgemeinen solltest du auf eine angemessene Erholungszeit zwischen den Workouts achten, wenn du gerade mit Workouts anfängst oder nach längerer Pause wieder damit anfängst", gibt DiSarro zu verstehen. "Das können dann Beweglichkeitsübungen, Stretchen, Walken, leichtes Cardio oder das Kräftigen anderer Körperregionen sein, während du dich von den vorherigen Workouts erholst."
Eine kleine Studie mit acht Teilnehmer:innen kam zu dem Ergebnis, dass Faszienrollen gegen Muskelkater helfen können (Steele empfiehlt diese Methode ihren Patient:innen). Außerdem gibt es gewisse Hinweise dafür, dass sich Muskelkater mit Massagen effektiv behandeln lässt, auch wenn es einige gegenteilige Meinungen gibt. Dasselbe Review, das Massagen für die Behandlung von Muskelkater ausschloss, hat wiederum nichtsteroidale Entzündungshemmer (bspw. Ibuprofen) für durchaus hilfreich gegen Muskelbeschwerden befunden. Allerdings sollten diese nur nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden.
Solltest du also trotz Muskelbeschwerden trainieren?
Kurz gesagt: Wenn du ausschließen kannst, dass der Schmerz von einer Verletzung kommt und dich die Muskelbeschwerden nicht einschränken, kannst du trotzdem trainieren. Es könnte nur ein bisschen unangenehm sein. Es kann jedoch womöglich weitere Konsequenzen haben, wenn du Einschränkungen spürst, zu denen laut Steele eine Beeinträchtigung der neuromuskulären Funktionen, des Bewegungsradius der Gelenke, der Kraft und Stärke sowie der motorischen Kontrolle zählen können.
"Eventuell ist es nicht verkehrt, ein Workout aufgrund von Muskelbeschwerden auszulassen, wenn du in deinem Bewegungsradius so eingeschränkt bist, dass du die Übungen nicht richtig ausführen kannst", erklärt Steele. "Das kann nämlich zu [Über]kompensation oder Belastung anderer Strukturen führen, was wiederum zu einer Verletzung führen kann."
Jede:r von uns hält unterschiedlich viel Schmerzen aus. Deswegen kann auch das Ausmaß und der Schweregrad von Muskelkater variieren. Es ist wichtig, dass du dir ausreichend Zeit für die Regeneration nimmst. DiSarro empfiehlt Beweglichkeitsübungen, Stretchen, Walken, leichtes Cardio und Übungen für ein anderes, beschwerdefreies Körperteil, um die Regeneration zu unterstützen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn du mit dem Trainieren anfängst oder nach einer Pause wieder zu deinen Workouts zurückkehrst.
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Verfasserin: Ashley Lauretta
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