Muskelgedächtnis für mehr Fortschritt – so funktioniert's

Coaching

Die Muskeln erinnern sich an den Kraftzuwachs, den du dir vor Monaten antrainiert hast. Selbst wenn du seither nichts mehr gemacht hat. Hier erfährst du, wie du dieses Muskelgedächtnis abrufen kannst.

Letzte Aktualisierung: 1. Dezember 2020
Wie das Muskelgedächtnis den Fortschritt beschleunigt

Bestimmte Informationen wie beispielsweise deine Kreditkartennummer (was hin und wieder sogar ganz gut sein kann) oder wo deine Sonnenbrille ist (fühl mal oben auf deinem Kopf nach) kann dein Gehirn nicht immer speichern. Aber wahrscheinlich kannst du dich immer noch daran erinnern, wie man Ski fährt, auch wenn du jahrelang nicht mehr auf Skiern gestanden bist, oder wie man ein Rad schlägt, obwohl du zuletzt als Kind geturnt hast.

Die Fähigkeit deines Körpers, dort anzuknüpfen, wo er aufgehört hat, nennt man Muskelgedächtnis. Aber eigentlich sind es nicht deine Muskeln, die sich die Ausführung einer motorischen Fähigkeit merken, sondern dein Gehirn. "Wenn du eine bestimmte Bewegung immer und immer wieder wiederholst, trainierst du dein neuromuskuläres System, bis dein zentrales Nervensystem lernt, diese Bewegung als durchgehend koordinierte Aktion auszuführen, über die du nicht einmal mehr nachdenken musst", erklärt Heather Milton, CSCS, zugelassene klinische Sportphysiologin und Supervisorin am NYU Langone Health Sports Performance Center. (Das ist allerdings kein Grund, nicht auf seine Form zu achten, merkt sie an.)

Während also das Muskelgedächtnis, wie wir es bisher kannten, hauptsächlich vom Gehirn geleistet wird, entdeckten Forscher vor Kurzem eine Art Muskelgedächtnis im engeren Sinne: Das epigenetische Gedächtnis, das beim Krafttraining in den Muskeln selbst stattfindet. In diesem Fall kann sich die DNA deiner Muskeln als Reaktion auf deren Beanspruchung neu anpassen und so das Gewebe für den zukünftigen Kraftzuwachs vorbereiten. In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Medicine & Science in Sports & Exercise veröffentlicht wurde, haben Forscher herausgefunden, dass Muskeln tatsächlich bis zu 20 Wochen lang auf molekularer Ebene Erinnerungen an frühere Widerstandstrainings-Sessions speichern können. Das könnte dir helfen, deine Fortschritte auch nach einer (längeren) Pause vom Fitnessstudio zu beschleunigen.

Klingt zu schön, um wahr zu sein? Es kommt noch besser: Im Rahmen der Studie trainierten die Teilnehmenden zehn Wochen lang dreimal wöchentlich nur ein Bein und legten dann eine fünfmonatige Trainingspause ein. Das Forschungsteam fand heraus, dass das zuvor trainierte Bein deutlich stärker war als das untrainierte Bein und Gewichte bewegen konnte, die 10 bis 25 Prozent schwerer waren, sagt Studienautor Marcus Moberg, Assistenzprofessor an der Swedish School of Sport and Health Sciences in Stockholm. Wenn du also momentan kein Training mit Gewichten machst und auch keine große Lust verspürst, wieder damit anzufangen, denk daran, dass du nicht wieder bei null anfangen würdest, sondern auf einem bis zu 25 Prozent höheren Level als zu Beginn deines Trainings.

In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Medicine & Science in Sports & Exercise veröffentlicht wurde, haben Forscher herausgefunden, dass Muskeln tatsächlich bis zu 20 Wochen lang auf molekularer Ebene Erinnerungen an frühere Widerstands-Trainingssessions speichern können.

Wie das Muskelgedächtnis den Fortschritt beschleunigt

Mobergs Team biopsierte auch die Muskeln der Teilnehmenden sowohl direkt im Anschluss an das zehnwöchige Training als auch fünf Monate nach dem letzten Workout. Im trainierten Bein fanden sie größere Mengen an Gen- und Proteinmarkern, von denen angenommen wird, dass sie mit der Muskelgesundheit, dem Muskelwachstum und der muskulären Ausdauer zusammenhängen, was eine Erklärung für die Beinkraft sein könnte.

Gehirn und Muskeln scheinen also zusammenzuarbeiten, so Moberg. Dein Gehirn speichert die motorischen Fähigkeiten und deine Muskeln halten an an strukturellen Veränderungen fest, was dir helfen kann, verlorene Kraft schneller wiederaufzubauen.

Diese Erkenntnis ist jetzt allerdings kein Grund, deine Kurzhanteln einzulagern. Nach wie vor kann die Dekonditionierung bereits einige Wochen nach der Trainingspause beginnen, obwohl die Auswirkungen vor allem von der Art der Aktivität und deinem Fitnesslevel vor dem Detraining abhängen. Bei den meisten Menschen geht die aerobe Kapazität innerhalb einer Woche leicht zurück, erklärt Milton. Die aufgebaute Kraft hingegen nimmt langsamer ab, was sich bei jedem anders bemerkbar macht. Doch ganz gleich, ob du eine Woche oder fünf Monate nicht trainiert hast: "Wenn du früher bereits trainiert hast, wirst du höchstwahrscheinlich nicht wieder komplett bei null anfangen müssen", so Milton. "Du befindest dich jetzt irgendwo zwischen deinem höchsten Fitnesslevel und deinem ursprünglichen Anfangszustand." Es könnte also schlimmer sein.

Die Erkenntnisse sollten dich aber auch nicht dazu verleiten, gleich wieder aufs Ganze zu gehen, wenn du deine Fitnessroutine wieder aufnimmst. Tu dir selbst einen Gefallen und lass es in den ersten Sessions oder Wochen etwas unter dem Level angehen, auf dem du aufgehört hast. "Selbst ein sehr gut trainierter Mensch wird wieder auf einem niedrigeren Niveau einsteigen müssen. Er ist wahrscheinlich nur schneller in der Lage, den Trainingsrückstand aufzuholen, als jemand, der weniger intensiv trainiert hat", erklärt Milton. Verlang dir also nicht direkt wieder frühere Höchstleistungen ab, um Verletzungen oder Übertraining zu vermeiden.

Und auch wenn sich Sport nach einer langen Pause vielleicht noch nicht großartig anfühlt oder cool aussieht, ist es doch motivierend zu wissen, dass man nach einer Trainingspause von wenigen Monaten oder sogar Jahren nicht wieder ganz von vorne anfangen muss und vielleicht schnellere Fortschritte macht als damals. Vergiss allerdings nicht, dich dafür bei deinem Gehirn – und deinen Muskeln – zu bedanken.

Ursprünglich erschienen: 8. Juli 2020

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