Frag den Coach: "Wie schaffe ich es, trotz meiner Trauer weiterzutrainieren?"

Coaching

Adia Barnes von der University of Arizona zeigt einer Tennisspielerin, wie sie die Erinnerungen an ihre Mutter nutzen kann, um eine bessere Athletin zu werden.

Letzte Aktualisierung: 22. April 2021
So können Athlet:innen trotz Trauer um verstorbene Angehörige oder Freunde spielen

"Frag den Coach" liefert dir Tipps und Ratschläge, die dich dabei unterstützen, dein Spiel aufs nächste Level zu bringen.

F:

Lieber Coach,

es fühlt sich irgendwie komisch an, das einer fremden Person zu schreiben, aber meine Mutter ist vor etwa einem Jahr verstorben. Die letzte Zeit war also sehr schwer für mich, doch ich bekomme großartige Unterstützung von meinen Freunden, meiner Familie und von einem ziemlich guten Therapeuten. Der Grund, warum ich dir schreibe, ist folgender: Meine Mutter war nicht nur eine tolle Mutter, sondern auch mein erster Tenniscoach und mein größter Cheerleader. Sie kam zu jedem meiner Matches und zu den meisten meiner Trainingsstunden. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, wird mir erst klar, wie sehr sie mich motiviert hat. Vor einem Jahr war ich mir noch absolut sicher, dass Tennis weiterhin ein wichtiger Bestandteil meines Lebens sein würde. Doch jetzt fühlt es sich irgendwie sinnlos an. Ich trainiere zwar immer noch fast jeden Tag, aber ich muss mich eher zwingen, zum Training zu gehen. Ich habe davon gehört, dass die besten Spieler:innen ein Feuer haben, das in ihnen brennt. Ich mache mir Sorgen, dass ich meines verloren habe. Wie finde ich wieder zu neuer Motivation? Oder sollte ich mich lieber auf etwas ganz anderes konzentrieren?

Vermisst wunderbaren, unterstützenden Tenniscoach
17-jährige Tennisspielerin

A:

Es tut mir leid, dass du eine so wichtige Person in deinem Leben verloren hast.

Du bist, wer du bist, wegen deiner Mutter. Und eine Tennisspielerin zu sein, ist ein Teil von dir.

Ich hoffe, du weißt, dass es OK ist, zu trauern. Und es ist natürlich auch OK, wenn du gerade keine Lust hast, Tennis zu spielen. Schließlich hat sich ja vieles in deinem Leben verändert und Veränderungen sind fast immer unangenehm.

Vor zwei Jahren habe ich eine andere Art des Verlusts erlebt. Ich hatte eine Fehlgeburt, was sehr schwer für mich war. Ich bin mit so viel Hoffnung in diese Schwangerschaft gegangen. Ich weiß, dass das nicht dasselbe ist, doch ich kann mir vorstellen, dass man sich genauso hoffnungslos fühlt, wenn man in jungen Jahren einen Elternteil verliert. Man hat gemeinsame Pläne, doch dann ist die geliebte Person plötzlich nicht mehr da.

Deine Mutter wird immer einen Platz in deinem Herzen haben und so weiterhin an deiner Seite sein.

Ich bin auch eine Mutter. Ich habe einen 5-jährigen Jungen und ein neugeborenes Mädchen. Und ich weiß, dass ich, wenn mir jemals etwas zustoßen sollte, wollen würde, dass sie ihr Leben weiterleben. Wenn du an deine Mutter denkst, überleg dir, was sie sich für dich wünschen würde. Es klingt, als hätte sie es geliebt, dir beim Tennisspielen zuzusehen. Wenn das stimmt, nutz das als Motivation, um weiterzumachen. Lass deine Liebe zu ihr das Feuer in dir erneut entfachen. Ich denke, sie würde sich freuen, wenn du einen Gegner bzw. eine Gegnerin so richtig in die Schranken weist. Meinst du nicht auch? Lass dein Herz sprechen.

Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen, doch manchmal denke ich darüber nach, was meine Mutter nach ihrem Tod von mir erwarten würde.

Sie würde mir wahrscheinlich einen Tritt verpassen, wenn ich nur dasitzen und um sie weinen würde. Ich will damit nicht sagen, dass du nicht weinen sollst. Im Gegenteil. Ich würde es definitiv tun. Aber wenn ich zu nichts anderem mehr in der Lage wäre, würde ihr Geist wahrscheinlich einen Feueralarm in meinem Haus auslösen, mit dem sie mir sagen will: "Adia, beweg deinen Hintern und mach weiter! Auf geht's!"

So können Athlet:innen trotz Trauer um verstorbene Angehörige oder Freunde spielen

Nimm mit Menschen Kontakt auf, die das, was du erlebt hast, verstehen.

Du fragst dich, warum du dich aufraffen sollst, wenn du gerade sowieso nicht an Wettkämpfen teilnimmst? Du bist jemand, der davon profitiert hat, einen Mentor zu haben. Daher denke ich, dass es dir viel geben könnte, wenn du dein Wissen an andere weitergibst. Du könntest beispielsweise einen jüngeren Spieler oder eine jüngere Spielerin trainieren oder du könntest eine Spendenaktion im Namen deiner Mutter starten.

Ich kann mir nicht vorstellen, diese Art von Arbeit nicht zu machen. Vor einer Weile habe ich ein gemeinnütziges Projekt ins Leben gerufen. Ich habe wenig getragene Sportbekleidung und -schuhe von Spieler:innen gesammelt und sie an Jungen und Mädchen weitergegeben, die sich diese Dinge nicht leisten konnten. Das war total einfach und die Kinder haben sich riesig gefreut.

Vielleicht wäre es gut, wenn du mit Menschen Kontakt aufnimmst, die das, was du erlebt hast, verstehen. Als ich die Fehlgeburt hatte, hat es mir wirklich sehr geholfen, mit anderen Frauen, die das Gleiche durchgemacht hatten, darüber zu sprechen. Und auch für diese Frauen war es gut, jemanden zu haben, der ihnen zuhört. Ein Jahr nachdem ich meine Geschichte in einem öffentlichen Forum erzählt hatte, kamen immer noch Frauen auf dem Campus auf mich zu, um mir zu berichten, wie ich ihnen damit geholfen habe. Ich denke, es könnte auch dir helfen, wenn du mit Gleichaltrigen sprichst, die das Gleiche oder Ähnliches erlebt haben.

Durch Sport kannst du vieles lernst. Kinder, die Sport machen, können besser mit schwierigen Situationen umgehen als Kinder, die keinen Sport treiben.

Wenn du andere Sportarten ausprobieren möchtest, solltest du das tun. Aber ich würde nicht sofort große Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob du mit deinem Sport ganz aufhören willst oder nicht. Gerade jetzt, wo dir das Tennisspielen schwerer fällt und es vielleicht auch noch einige Zeit dauert, bis wieder ein Feuer in dir brennt, ist es wichtig, dass du dich nicht zu sehr unter Druck setzt. Du musst wissen, dass du durch Sport vieles lernst. Kinder, die Sport machen, können besser mit schwierigen Situationen umgehen als Kinder, die keinen Sport treiben. Meine Schwester hat zum Beispiel nie Sport gemacht und kann mit Problemen nicht so gut umgehen wie ich. Sie fragt mich dann Dinge wie: "Wie schaffst du es, eine solch lebensverändernde Situation durchzustehen?" Ich antworte ihr dann: "Es geht immer irgendwie weiter!" Ich denke, dass Tennis dir helfen könnte, diese unglaublich schmerzhafte Zeit zu überstehen.

Es hört sich so an, als ob deine Mutter wollte, dass du innere Stärke entwickelst. Du musst nur etwas Geduld haben und deinen Sport als eine Art Stütze betrachten. Ich bin mir sicher, dass deine Liebe zum Tennis irgendwann zurückkommt. Nutz die Erinnerungen an deine Mutter, um deine innere Stärke zu finden, und du wirst sehen, dass du eine noch bessere Athletin wirst als zuvor.

Coach Barnes

Adia Barnes ist Cheftrainerin der Basketballmannschaft der Frauen an der University of Arizona. In den Jahren 2011 und 2020 war sie Finalistin für den Naismith Coach of the Year Award. Früher war sie Assistenztrainerin an der University of Washington und arbeitete im Rundfunk. Sie spielte sieben Spielzeiten in der WNBA und führte die Seattle Storm zur Meisterschaft. Außerdem unterstützte sie internationale Teams in fünf Ländern. Als Spielerin an der University of Arizona stellte Barnes 22 Einzelrekorde für die Wildcats auf, von denen viele noch immer ungebrochen sind. Sie erhielt bereits mehrere Auszeichnungen für ihr Engagement in der Community.

Schick uns deine Frage zu Mindset, Sport oder Fitness per E-Mail an askthecoach@nike.com.

Illustration: Harrison Freeman

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Ursprünglich erschienen: 18. April 2021

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