Frag den Coach: "Ich hab's nicht ins Varsity-Team geschafft. Was soll ich tun?"

Coaching

Ein junger Basketballspieler sah seine Träume mit einem Schlag zerstört. Courtney Banghart, Basketball-Coach der UNC, kann seinen Schmerz verstehen und hat ein paar einfache Ratschläge.

Letzte Aktualisierung: 30. August 2021
6 Min. Lesezeit
Trainerin Courtney Banghart erklärt, was du tun kannst, wenn du es nicht ins Team schaffst

Frag den Coach liefert dir Tipps und Ratschläge, die dich dabei unterstützen, dein Spiel aufs nächste Level zu bringen.

F:

Hallo Coach,

ich war immer der beste Basketballspieler auf dem Platz. Jedem Platz. Egal ob im Park oder im Varsity-Team meiner Schule, ich war der Beste. Bis meine Familie umzog. Bei den Probetrainings fürs Varsity-Team meiner neuen High School waren die anderen schneller, stärker und einfach besser. Ich fühlte mich völlig bloßgestellt und hab's natürlich nicht ins Team geschafft. Mir wurde ein Platz in der Jugendmannschaft angeboten, aber ich hab Angst, dass ich an meine Grenzen gestoßen bin. Wenn ich nicht mit den Besten spiele, kann ich dann noch der Beste werden?


Plötzlich "nur" noch gut
16-jähriger Basketballspieler

A:

Das kommt mir bekannt vor. Sehr sogar. Denn, so wie du, hab ich es nicht in eine Mannschaft geschafft, obwohl ich wusste, dass ich es verdient hätte. Das geht sicherlich vielen so. Aber warum tut es Leuten wie dir und mir so viel mehr weh?

Für mich war Sport von klein an einfach alles. Mein erstes Wort war nicht Mama oder Papa, sondern Ball. Kein Scherz. Ich komme aus einer kleinen Stadt in New Hampshire, wo jeder mal jeden Sport gespielt hat, weil sie sonst die Mannschaften nicht zusammenbekommen hätten. Ich gehörte zu den Kindern, die vom Fußballtraining nach Hause kamen und sofort ein paar Körbe versenkten, ohne mich erst einmal umzuziehen. Skateboarding, Eishockey und Eiskunstlauf habe ich auch ausprobiert.

Fußball war jedoch meine Leidenschaft – und meine erste große Enttäuschung.

Mit 9 Jahren wollte ich mich bei der U12 Fußballmannschaft anmelden. Meine Schulmannschaft war die beste im ganzen Bundesstaat und ich war es gewohnt, zu gewinnen. Ich war mir sicher, dass ich es in die U12 schaffen würde. Aber das habe ich nicht. Ich konnte es zuerst gar nicht fassen. So etwas war mir bis dahin noch nie passiert. Was ich zu bieten hatte, war einfach nicht genug. Ich wurde nicht gebraucht. Der Trainer sagte meinen Eltern, dass ich zwar Potenzial hätte, aber viel zu klein wäre. Meine Eltern versuchten, mich zu trösten. Nichts half. Ich war am Boden.

Wie ich darüber hinwegkam? Nun, das bin ich vielleicht gar nicht, ich spreche ja heute noch darüber! Aber ich spielte weiter, denn ich hatte schlichtweg keine andere Wahl. Das hört sich jetzt vielleicht etwas dramatisch an, aber Sport war für mich so etwas wie der Anschluss an die Welt. Es war das Einzige, womit ich mich auskannte. Es kam also überhaupt nicht in Frage, dass ich aufhöre. Und wie ich dich anhand deiner kurzen E-Mail einschätze, sitzt du im selben Boot.

Trainerin Courtney Banghart erklärt, was du tun kannst, wenn du es nicht ins Team schaffst
Trainerin Courtney Banghart erklärt, was du tun kannst, wenn du es nicht ins Team schaffst
Trainerin Courtney Banghart erklärt, was du tun kannst, wenn du es nicht ins Team schaffst

Du hörst immer wieder von Spitzensportler:innen, die sagen, sie seien aus einer solchen Niederlage noch stärker hervorgekommen. Das finde ich nicht schlecht. Ich habe da eine Story auf Lager, die gibt einem Genugtuung: Ich habe mal ein Mädchen trainiert, die in ihrer neuen Mannschaft den untersten Rang einnahm. Sie schrieb diesen Rang sogar als Erinnerung an die Tafel in ihrem Zimmer und blickte jeden Tag darauf. Sie setzte sich in den Kopf, dass das nicht stimmt und wollte es beweisen. Am Ende war sie von allen am längsten auf dem Spielfeld –als "Neue". Das ist also eine Strategie, die ganz gut funktionierte.

Hier ist noch eine andere: Versuche mal, deine Definition von "der Beste/die Beste" zu ändern. Schließlich gibt es ja viele Qualitäten, die einen starken Spieler oder eine starke Spielerin ausmachen. Es gibt die rein körperlichen Fähigkeiten und es gibt den Rückhalt, den du einer Mannschaft geben kannst; den Klebstoff, der eurer Team zusammenhält. Und dann gibt es noch den Kampfgeist. Also die Bereitschaft, weiter zu machen und besser zu werden, egal was passiert. Das ist etwas, worüber du die Kontrolle hast. Und es ist ein wichtiger Indikator dafür, wie gut du sein wirst.

Versuche mal, deine Definition von "der Beste/die Beste" zu ändern. Schließlich gibt es ja viele Qualitäten, die einen starken Spieler oder eine starke Spielerin ausmachen.

Kampfgeist motiviert dich, dir genau anzusehen, wie du dein Spiel verbessern kannst und dir zu diesem Zweck eine Reihe von konkreten Zielen zu setzen. Stell dir Fragen, um deine Ziele zu bestimmen. Schreib die Ziele auf und unterteile sie in einzelne Schritte. Achte darauf, dass du es in der Hand hast, diese Ziele zu erreichen. Ins Varsity-Team zu kommen? Nicht deine Entscheidung. Deine Fernwürfe oder Abwehr zu verbessern? Absolut machbar.

Also wie können wir etwas loslassen, das wir nicht in der Hand haben? Hier lautet das Motto "Wettkampf ja. Vergleichen nein!". Das ist nicht so einfach in einer Welt, wo uns die sozialen Medien praktisch zum ständigen Vergleich mit anderen verdammen. Aber wenn du dich mit den anderen Spielern deiner High School vergleichst, wird dir die Energie, die du dafür aufbringst, letztlich beim Wettkampf fehlen. Selbst wenn du ihr Spiel nicht in der Hand hast, hast du zumindest die Kontrolle über deines.

Im Grunde liegt alles, was ich angesprochen habe, komplett in deiner Hand: Nutze deine Enttäuschung als Motivation. Definiere "der Beste/die Beste" neu; sage stattdessen "der Hartnäckigste/die Hartnäckigste". Setz dir erreichbare Ziele. Hör auf, dich mit den anderen zu vergleichen und konzentriere dich darauf, im Juniorenteam aufs Ganze zu gehen. Es ist ein starkes Gefühl zu wissen, dass du alle Tools hast, um erfolgreich zu sein. Jetzt musst du nur noch die Hand ausstrecken und sie dir schnappen.


Coach Banghart

Courtney Banghart ist leitende Damen-Basketball-Trainerin an der University of North Carolina in Chapel Hill. Zuvor war sie Head Coach an der Princeton University, wurde 2015 zum Naismith National Coach of the Year ernannt und arbeitete 2017 als Assistenztrainerin für die US-amerikanische U23-Damen-Nationalmannschaft im Basketball. Banghart, eine Top-Spielerin in Dartmouth, stellte den bislang ungebrochenen Ivy-League-Rekord für Dreier in einer Karriere auf. Banghart ist Vorstandsmitglied der Women’s Basketball Coaches Association und Mitglied des NCAA Women’s Basketball Oversight Committee.

Schick uns deine Frage zu Mindset, Sport oder Fitness per E-Mail an askthecoach@nike.com.

Fotos: Jayson Palacio

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Ursprünglich erschienen: 31. August 2021

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