Auf 8 Rädern zur Selbsterkenntnis

Feiert Rollschuhfahren gerade ein Comeback? Fragt man diese wilde Truppe von Rollschuhfahrerinnen, die bereits seit Jahren in Long Beach, Kalifornien, ihr Können unter Beweis stellt, wird man erfahren, dass der Sport eigentlich nie von der Bildfläche verschwunden ist. Es ist nur so, dass er jetzt, während der globalen Krise, wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt. "Da aktuell ja nur Sport im Freien erlaubt ist, interessieren sich immer mehr Menschen dafür. Sie wollen etwas Neues lernen, rausgehen und ihre Freiheit neu entdecken, was während des Lockdowns nicht möglich war", so Kiana, die sich regelmäßig mit ihrer Rollschuhgang trifft, um die Grenzen ihres Sports (und Styles) zu sprengen. Da viele Rollschuhbahnen und -hallen bereits seit längerem geschlossen sind, wich das Team auf die Straße und ihre eigene, mit einem Regenbogen geschmückte Halfpipe aus.

Doch nicht nur dort sind die Rollschuh fahrenden Freundinnen bekannt. Ihre Online-Community umfasst inzwischen Rollschuhfahrer:innen aus der ganzen Welt. Über Videoanrufe und soziale Medien bleiben sie in Verbindung, lernen neue Tricks, verbessern ihre Moves und unterstützen sich gegenseitig. Ihre Mission ist es, sich weltweit für mehr Body und Gender Positivity, Inklusion und selbstsicheres Auftreten einzusetzen. Sie alle betrachten den Sport als eine Art Chance für Menschen, die das Gefühl haben, dass sie nicht der traditionellen Definition dessen entsprechen, was es bedeutet, Athlet:in zu sein oder athletisch auszusehen. "Ich kann anderen Rollschuhfahrer:innen meine Unterstützung zeigen, indem ich sie ermutige und anfeuere", erklärt Jes, eine der Rollschuhfahrerinnen. "Inklusion bedeutet für uns, alle Menschen mit einem offenen Herz und offenen Armen willkommen zu heißen." Ein paar der Freundinnen haben Kindheitserinnerung daran, wie sie nach einem Sturz gemobbt wurden. Doch die Tatsache, dass sie jetzt im Erwachsenenalter wieder auf Rollschuhen stehen, lässt sie diese traumatischen Erlebnisse schnell vergessen. "Jetzt werde ich nicht mehr ausgelacht, sondern angefeuert", so Jes.

Rebel
Rebel ist 29 Jahre alt und eine führende Persönlichkeit in der Community (sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene). Sie leitet ein umfangreiches Social-Media-Projekt, das den Namen "Queer Girl Straight Skates" trägt. Dieses Projekt umfasst den Podcast "Skate Date", mit dem sie Rollschuhfahrer:innen aus der ganzen Welt zusammenbringt, um deren Selbstvertrauen zu stärken, so wie das Rollschuhfahren ihr Selbstvertrauen gestärkt hat. "Als ich mit dem Rollschuhfahren angefangen habe, wurde ich nicht nur so, wie ich bin, von der Community willkommen geheißen, sondern mir wurde auch gesagt, dass mein Körper ein mächtiges Werkzeug sei, das mir dabei hilft, unglaubliche Dinge zu tun", so Rebel.

Shove
Shove ist eine 34-jährige Künstlerin, die bei Moxi Skates arbeitet. Sie ist Rebels Partnerin. Die beiden haben sich bei einem Roller Derby kennengelernt und lieben es, in Secondhand-Klamotten über die Rampen oder durch die Straßen zu flitzen. "Ich kann es kaum erwarten, dass die Pandemie endlich vorbei ist, damit ich ein RIESIGES Rollout veranstalten kann, bei dem sich Hunderte von Rollschuhfahrer:innen versammeln, um die Stadt Long Beach zu übernehmen", so Shove. "Ich vermisse die Verbundenheit, die wir früher hatten. Wenn wir wieder dürfen, werden wir rausgehen und die Welt auf Rollschuhen erobern!"

Jes
Jes ist 28 Jahre alt und wurde von Shove an den Sport herangeführt. "Sie wollte mir zeigen, wie Hill-Bombing (bergabfahren und dabei nur wenig bremsen) geht ", erinnert sie sich. Und obwohl intensive Überzeugungsarbeit notwendig war, hat es Jes tatsächlich ausprobiert. "Ich habe gezittert und war den Tränen nahe, weil ich dachte, dass ich sicher hinfallen würde. Das war jedoch nicht der Fall", so Jes. Heute hat sie eher einen entspannteren Fahrstil. "Ich cruise gerne in der Bowl und mach hin und wieder ein paar kleine Tricks. Ich versuche, die Dinge cool und gelassen anzugehen. Beim Cruisen gibt es keine Hektik", erklärt Jes.

Estro Jen
Estro Jen ist die Gründerin des Online-Shops Moxi Roller Skates. Sie ist schon seit ihrer Kindheit in der Rollschuh-Community aktiv und setzt sich unermüdlich für alle diejenigen ein, die Rollschuh fahren. Doch nicht nur das ist beeindruckend. Mit den Kunststücken, die sie auf ihren Rollschuhen vollführt, begeistert sie die Zuschauer. (Wenn sie nicht gerade auf ihren Rollschuhen steht, arbeitet sie als professionelle Stuntfrau in hochkarätigen Hollywood-Superheldenfilmen.) "Wir sind eine Community. Und es ist mir wichtig, dass sich jeder von uns gut fühlt. Und das ist so viel einfacher, wenn wir Freunde haben, die unsere Leidenschaft teilen", sagt sie. "Ich weiß, dass Rollschuhe die Schuhe der Zukunft sein werden."

Kiana
Kiana wechselte vom Roller Derby in den Skate Park, nachdem sie ein Video des Moxi Skates Teams gesehen hatte. Mit ihren 23 Jahren ist sie eines der jüngeren Mitglieder der Crew. Kiana ist besonders gut darin, ihre Rollschuhfreundinnen zu motivieren. Außerdem trägt sie oft ein buntes Clown-Makeup, mit dem sie zeigen will, dass sie eine starke Persönlichkeit hat. "Für mich ist das Rollschuhfahren eine Möglichkeit, Stress abzubauen und meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Und natürlich macht es mir auch einen Riesenspaß."