Mädchen für Sport begeistern

Coaching

Auch im Sport ist der Gendergap spürbar. Deshalb brauchen manche Mädchen etwas Unterstützung. Diese Tipps können helfen.

Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2021
9 Min. Lesezeit
Warum und wie du deine Tochter für Sport begeistern solltest

Wir schreiben das Jahr 2021. Deutschland wurde 16 Jahre von einer Frau regiert. Eine der weltweit wichtigsten Banken wird von einer Frau geleitet. Bei den Oscars wurden zwei Frauen für die beste Regie nominiert, eine davon wurde ausgezeichnet. Es scheint, dass die Zukunft den Frauen gehört – nur nicht im Sport.

Herausforderungen der Zukunft

Während die Serenas und Shalanes der Welt auf der großen Bühne des Sports den Ton angeben, sieht die Realität für die meisten Athletinnen anders aus: Laut einem Bericht der Women’s Sports Foundation (WSF) über Mädchen im Alter zwischen 7 und 13 Jahren fangen Mädchen später mit dem Sport an als Jungen. Im Teenageralter machen sie im Vergleich zu Jungen 15 Prozent weniger Sport. Und im Alter von 14 Jahren hören doppelt so viele Mädchen mit dem Sport auf wie Jungen. Gegen Ende des Teenageralters wiederum hört erneut ein Drittel auf. Bei Jungen sind es nur 10 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Studie der Organisation Canadian Women & Sport.

Was ist das Problem? Nun, für Mädchen und junge Frauen (vom Kleinkindalter bis zum Alter von etwa 20 Jahren) ist der Weg zu sportlichem Erfolg steinig. Das liegt zum einen an den körperlichen Veränderungen, zum anderen aber auch an dem, was die Gesellschaft ihnen vorgibt.

Betrachten wir mal die biologische Seite: Jungen werden meistens selbstbewusster, wenn sich mit der Pubertät die Muskeln entwickeln, ihre Stimme tiefer wird und die ersten Haare auf der Brust wachsen. Mädchen ziehen sich zurück und werden unsicher, wenn sich ihre Brüste entwickeln und sie ihre Tage bekommen. Zu diesem Schluss kommt Dr. Mary Fry, Leiterin des Kansas University Sport & Exercise Psychology Lab. Mädchen verlieren den Mut, aktiv an Dingen teilzunehmen. Und soziale Medien als Nährboden für Vergleiche und Selbstzweifel tun ihr übriges dazu, dass Mädchen (und auch Jungs) sich zurückziehen, statt sich selbstbewusst zu zeigen.

Auch die Familie und geschlechtsspezifische Stereotypen spielen eine Rolle. Eltern (oder Menschen mit ähnlichem Einfluss) prägen die Beziehung von Mädchen zu Sport. Allzu oft wird ihnen in vielen Familien weniger zugetraut als Jungen, so Karen Issokson-Silver, stellvertretende Vorsitzende für Forschung und Bildung beim WSF. "In vielen Familien spielt der Vater mit Söhnen Fußball, nicht aber mit Töchtern", betont sie. Aber ohne Unterstützung der Familie haben Mädchen kaum eine Chance, bereits früh Interesse für Sport zu entwickeln.

Dann kommt noch der kulturelle Aspekt dazu. Bei der Sportberichterstattung im US-Fernsehen entfallen nur 5 % auf den Frauensport, 95 % der Beiträge befassen sich mit Männersport. Das ergab eine Studie von USC und Purdue. Außerdem verdienen Frauen in vielen Sportarten zwischen 15 und sage und schreibe 100 Prozent weniger als Männer. Das ist eine Botschaft, so Issokson-Silver, von der sich vor allem Kinder leicht beeinflussen lassen: Frauen sind im Sport weniger wichtig und wertvoll als Männer. Wenn man jetzt bedenkt, dass Mädchen häufiger mit dem Sport aufhören und dass es weniger weibliche Coaches gibt, dann wird klar: Mädchen haben weniger sportliche Vorbilder als Jungen. Und hier beginnt der Teufelskreis.

"In vielen Familien spielt der Vater mit Söhnen Fußball, nicht aber mit Töchtern."

Karen Issokson-Silver
Stellvertretende Vorsitzende für Forschung und Bildung der Women's Sports Foundation

Das schlagen Expert:innen vor

Kinder, die Sport machen, profitieren auf vielfältige Weise. Im Vergleich zu Altersgenossinnen, die keinen Sport machen, sind Mädchen, die Sport machen, laut des aktuellen Girls and Sport Impact-Bericht in jedem Alter selbstbewusster und in der Schule erfolgreicher. Andere Studien zeigen, dass Kinder, die schon früh mit Sport anfangen, physisch und auch mental gesünder sind und ein positiveres Verhältnis zu ihrem Körper haben. Ihnen fällt es leichter, soziale Bindungen einzugehen und sie entwickeln Führungsqualitäten. Und auch das überrascht nicht: "Mädchen, dich schon früh anfangen, Sport zu machen, bleiben ihr ganzes Leben lang aktiv. Sie haben die besten Voraussetzungen für eine gesunde Zukunft", so Issokson-Silver. Also: Sport ist wichtig!

Wir alle können dazu beitragen, dass Mädchen ihre Leidenschaft für Sport entdecken. Und das ist gar nicht so schwer! Ein erster Schritt ist dieses Playbook. Es liefert Tipps, wie man Mädchen für Sport begeistern kann.

Warum und wie du deine Tochter für Sport begeistern solltest

Sorge für ein motivierendes Umfeld.

Dein Verhältnis zu Sport und Training hat großen Einfluss auf junge Mädchen, erklärt Megan Bartlett, Gründerin des Center for Healing and Justice Through Sport, die mit Nike am Guide zum Coachen von Mädchen gearbeitet hat. Je aktiver du selbst bist und je offener du deine Begeisterung für Sport zeigst ("Ich freue mich so, heute laufen zu gehen"), desto wahrscheinlicher ist es, dass auch die Mädchen um dich herum eine positive Einstellung zu Sport entwickeln, so Bartlett. "Auch gemeinsame sportliche Aktivitäten sind wichtig. Lass sie eine Aktivität vorschlagen, die ihr zusammen machen könnt. So haben Mädchen noch mehr Spaß."

Achte außerdem auf eine gute Ausrüstung. Dazu gehören der richtige Sport-BH, gute Schuhe und Kleidung, die genügend Bewegungsfreiheit bietet. Begleite sie möglichst oft zum Training und zu Wettkämpfen und feuere sie an. Nimm sie mit zu Sportveranstaltungen speziell für Frauen. Und sprich mit ihnen über Sport, als ob ihr über Hobbys und Freund:innen reden würdet. All das dient dazu, dass sie lernen, Sport als natürlichen Teil ihres Lebens zu sehen, erklärt Issokson-Silver. Und sie finden das Selbstbewusstsein, das sie brauchen, um dabei zu bleiben.

Such nach einem Coach, der oder die sich wirklich engagiert.

"Wenn Mädchen sich von ihrem Coach nicht unterstützt und respektiert fühlen und keine Wertschätzung erfahren, hören sie mit dem Sport auf, selbst wenn sie ihn lieben", so Issokson-Silver. Finde einen Coach, die oder der alle Mädchen als Menschen und nicht einfach als Teammitglieder behandelt. Wichtig ist eine Atmosphäre, in der alle offen miteinander reden können. Und alle Mädchen sollten dafür gelobt werden, dass sie Dinge einfach ausprobieren. Außerdem sollte ein Coach nicht nur ans Gewinnen denken. Die WSF hat untersucht, bei welchen Trainer:innen Mädchen ihre Ziele am besten erreichen. Dabei kam heraus, dass Coaches, die ihr Team zwar vor Herausforderungen stellen, gleichzeitig aber auch den Spaß und die Entwicklung von Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen, anstatt immer nur die Siege zu belohnen, wesentlich erfolgreicher sind.

Wenn du ein bestimmtes Programm in der Schule oder in der Nachbarschaft ins Auge gefasst hast, empfiehlt Fry, zunächst mit Eltern zu sprechen, deren Kinder bereits an diesem Programm teilnehmen oder teilgenommen haben. "Außerdem ist es eine gute Idee, sich einmal selbst ein Training anzusehen, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die Mädchen angesprochen werden, wie der Coach beim Training mit ihnen interagiert und wie das Umfeld ist", empfiehlt Viv Holt, Leiterin von Youth Sport Trust International, die ebenfalls an der Entwicklung des Guide zum Coachen von Mädchen mitgewirkt hat. Noch besser: Sprich selber mit dem Coach. Dein persönlicher Eindruck zeigt dir, wie er oder sie auf junge Mädchen wirkt, ergänzt sie.

Unterstütze einen gesunden Wettkampfgeist.

Wenn Mädchen immer dazu gebracht werden, besser als ihre Teamkameradinnen oder Gegnerinnen zu sein, können sie den Spaß am Sport verlieren,denn sie fühlen sich sehr unter Druck gesetzt, erklärt Fry. Besser ist es, sich selbst als Maßstab zu nehmen.

"Erinnere sie daran, dass sie nicht kontrollieren können, wie gut andere sind, dass sie es aber in der Hand haben, wie sehr sie selber sich jeden Tag einsetzen", so Fry. Ermutige sie, sich persönliche Ziele zu setzen, zum Beispiel ihren Aufschlag zu verbessern. Wichtig ist, dass sie ihre Fortschritte erleben können. Lobe sie selbst für die kleinsten Verbesserungen, damit sie lernen, dass sich ihr Einsatz lohnt und sie stolz auf sich sein können.

Diana Cutaia, Gründerin von Coaching Peace Consulting, empfiehlt: "Sag Dinge wie 'Ich finde es toll, wie sehr du dich anstrengst' oder 'Du machst super Fortschritte', um den Fokus auf die Entwicklung und nicht auf das Ergebnis zu legen. So nimmst du den Druck raus und sorgst dafür, dass Mädchen mit noch mehr Spaß bei der Sache sind."

Warum und wie du deine Tochter für Sport begeistern solltest

Stelle Wert und Wertschätzung in den Mittelpunkt.

Ob Kinder dem Sport treu bleiben oder irgendwann damit aufhören, hat viel damit zu tun, ob sie sich als wertvolles Mitglied des Teams fühlen. Das gilt besonders für Mädchen. "Es ist nicht wichtig, ob du sportlich besonders talentiert bist", so Issokson-Silver. "Ausschlaggebend ist, ob du das Gefühl hast, einen Beitrag zu leisten."

Ein guter Coach vermittelt dieses Gefühl instinktiv, aber du kannst ihn oder sie dabei unterstützen. Mach den Mädchen in deinem Umfeld zum Beispiel bewusst,dass sie besonders gut darin sind, Probleme zu lösen, oder dass sie mit ihrem fröhlichen Wesen das Team auch in schwierigen Momenten immer wieder aufbauen, empfiehlt Issokson-Silver. Cutaia fügt hinzu: "Lobe sie nicht an Tagen, an denen alles gut läuft, sondern auch an solchen, an denen sie kämpfen müssen. So zeigst du, dass dir ihre Persönlichkeit und nicht ihre Leistung wichtig ist."

Unterstütze ihr Durchhaltevermögen.

Einige Studien zeigen, dass Frauen oft perfektionistischer sind als Männer. Das fängt schon in frühester Kindheit an, so Fry. Deshalb ist es so wichtig, Mädchen zu zeigen, dass Fehler nicht nur zum Leben dazugehören, sondern dass sie wichtig für den Lernprozess und für Verbesserungen sind.

Der erste Schritt in diese Richtung: Hilf ihnen, sich selbst zu vertrauen und darauf zu bauen, dass sie das Zeug dazu haben, auch schwierige Phasen durchzustehen. Verwende häufig die Wörter "Mut" und "mutig". Und jedes Mal, wenn du siehst, dass sie etwas neues versuchen oder ein Risiko eingehen, indem sie zum Beispiel direkt aufs Tor schießen, dann lobe sie, empfiehlt Bartlett.

Sprich über Fehler, behalte dabei aber immer das große Ganz im Blick, so Holt. "Es ist auch für Kinder völlig menschlich, dass sie sich nur auf das konzentrieren, was schief läuft, auch wenn 20 andere Dinge perfekt geklappt haben", erklärt sie. "Ermutige sie, über Fehler nachzudenken, diese aber als Möglichkeit zu sehen, sich weiterzuentwickeln. Und dann lenke den Blick auf das, was gut lief." Dabei kann es helfen, über die eigenen Fehler zu sprechen, denn das zeigt, dass sie eigentlich keine große Sache sind.

Und schließlich: Lass nicht zu, dass Mädchen zu schnell aufgeben, es sei denn, sie kommen wirklich überhaupt nicht mit ihrem Coach klar. Nicht genug Freizeit, das Gefühl, weniger zu können als andere, die falsche Sportart: Fast alle Probleme lassen sich lösen, wenn man seine Einstellung ändert, so Bartlett. "Heb hervor, wie sie sich verbessert haben oder dass sie neue Freunde gefunden haben, und hilf ihnen, sich für die letzten Wochen mit dem Team passende Ziele zu setzen."

Wer es schafft, eine ganze Saison durchzuhalten, zeigt Durchhaltevermögen, erklärt Bartlett, selbst wenn man sich am Ende für eine andere Aktivität entscheidet. Und genau das kann am Ende dazu führen, dass sich die Statistik im Sport zu Gunsten von Frauen verändert – und das für immer.

Text: Charlotte Jacobs
Illustration: Kezia Gabriella

Mach mehr aus deinem Training

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du Kinder, vor allem Mädchen, für Sport begeistern kannst, dann sieh dir unseren Guide zum Coachen von Mädchen an, den Nike im Rahmen des Made to Play-Programms mit entwickelt hat. Oder hör dir die Folge von Trained mit Jugendsportpsychologe und Athlet Dr. Jim Taylor an.

Ursprünglich erschienen: 7. Oktober 2021

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