Die Wechselwirkung von Training und Tageszeit

Coaching

Gibt es eigentlich eine optimale Uhrzeit, um zu trainieren? Wir gehen dieser häufig gestellten Frage nach und erläutern, welche Faktoren wann eine Rolle spielen.

Letzte Aktualisierung: 28. April 2021
Die Vorteile von Workouts zu unterschiedlichen Tageszeiten

Manche lieben es, ganz früh am Morgen ins Gym zu gehen, andere wiederum trainieren am liebsten erst abends, wenn die Sonne untergeht. Ähnlich wie bei der Debatte LeBron vs. Jordan, werden die einen die anderen wohl kaum vom Gegenteil überzeugen können.

Wenn dir die Uhrzeit, zu der du trainierst, so wichtig ist, bist du möglicherweise entsprechend darauf "programmiert". Es stimmt nämlich, dass Menschen genetisch so veranlagt sein können, dass ihnen bestimmte Trainingszeiten einfach besser liegen als andere, erklärt Dr. Karyn Esser, Professorin für Physiologie und stellvertretende Direktorin des Myology Institute an der University of Florida. Wenn du aber eher der Typ bist, der immer dann trainiert, wenn er gerade Lust dazu hat, kommt hier die gute Nachricht: Es gibt keine vermeintlich bessere oder schlechtere Uhrzeit fürs Training. Letztendlich besagt die Wissenschaft, dass der beste Zeitpunkt zum Trainieren immer dann ist, wenn du ihn dir einrichten kannst und ihn aktiv nutzt.

Das ist sehr erfreulich und gut zu wissen, denn somit fällt schon mal eine Hürde weg, die dich bislang eventuell vom Trainieren abgehalten hat. Zudem zeigen immer mehr Studien, dass du je nach Trainingszeit von verschiedenen zusätzlichen Vorteilen profitierst. Nachfolgend erfährst du, wie das Training zu bestimmten Uhrzeiten deinem Körper und Geist zugutekommen kann. So kannst du deine Trainingsroutine bei Bedarf entsprechend anpassen.

"Es stimmt, dass Menschen genetisch so veranlagt sein können, dass ihnen bestimmte Trainingszeiten einfach besser liegen als andere."

Dr. Karyn Esser
Professorin für Physiologie

7 Uhr: Energielevel ganz natürlich steigern

Training kann deinen zirkadianen Rhythmus, also deine innere Uhr, positiv beeinflussen, wie eine in der Zeitschrift The Journal of Physiology veröffentlichte Studie zeigt. Teilnehmende dieser Studie konnten ihre innere Uhr durch frühmorgendliches Training auf eine frühere Zeit verschieben.

Wie kann man sich das vorstellen? Die erwähnte Verschiebung kann dazu beitragen, dass du dich morgens wacher und energiegeladener fühlst und abends müde wirst, da sich dein Körper besser an den Rhythmus von Sonnenaufgang und -untergang angepasst hat. Das Tageslicht hat eine zentrale Wirkung auf deine innere Uhr, die deine Hormone, deine Körpertemperatur und deine Essgewohnheiten beeinflussen kann – alles Dinge, die Probleme verursachen können, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten. Unter diesem Gesichtspunkt könnte ein Training um 7 Uhr morgens dazu beitragen, dass du den ganzen Tag über in Bestform bist.

Vor 12 Uhr: Einfacher das Gewicht kontrollieren

Wer vor dem Mittag trainiert, könnte mehr abnehmen als diejenigen, die nach 15 Uhr trainieren, so eine im International Journal of Obesity veröffentlichte Studie. Die wissenschaftliche Theorie dahinter beruht auf folgendem Studienergebnis: Die Teilnehmenden, die vor dem Mittag trainierten, hatten über den Tag hinweg einen höheren Kalorienverbrauch, während diejenigen, die zu einer späteren Uhrzeit trainierten, auch tendenziell mehr Kalorien zu sich nahmen.

Ein intensives Training vor der Mittagszeit beeinflusst oft, wie aktiv du für den Rest des Tages bist, so Esser. Wenn du dich schon früh am Tag bewegst, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass du auch den restlichen Tag über in Bewegung bleibst, und "das führt insgesamt zu einem höheren Kalorienverbrauch", erklärt sie. Es hat sich auch gezeigt, dass sich sportlich aktive Menschen gesünder ernähren und dementsprechend könnte sich ein Training vor dem Mittagessen förderlich auf dein Wohlbefinden und deine gesunden Gewohnheiten auswirken.

Die Vorteile von Workouts zu unterschiedlichen Tageszeiten

13 bis 16 Uhr: Kalorienverbrennung steigern

Wir alle haben einen Grundumsatz, auch Ruhestoffwechsel (Resting Metabolic Rate, RMR) genannt. Er gibt den Kalorienverbrauch eines Menschen im Ruhezustand an, d. h. wie viel Energiemenge ein Mensch in Ruhe pro 24 Stunden zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Körperfunktionen wie Atmung oder Herzschlag benötigt. Er ist auch ein wichtiger Faktor bei Gewichtsveränderungen. Tatsächlich verbrennt dein Körper die meisten Kalorien im Ruhezustand während des Nachmittags und Abends, wie eine in der Zeitschrift Current Biology veröffentlichte Studie ergab.

Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass die Veränderungen des Grundumsatzes parallel zu den Veränderungen der Körperkerntemperatur verlaufen – und nichts lässt die Körpertemperatur so sehr ansteigen wie ein schweißtreibendes Workout. "Wenn dein Grundumsatz am Nachmittag höher ist und du zusätzlich trainierst, verbrauchst du dabei auch zusätzliche Energie zu deinem Grundumsatz", erklärt Esser. Das wiederum hat einen höheren Kalorienverbrauch während des Trainings (und insgesamt an diesem Tag) zur Folge.

Wenn du darauf hoffst, bei gleicher intensiver Anstrengung mehr Kalorien zu verbrennen, ohne andere Faktoren deiner Lebensweise ändern zu müssen, könnte ein Training zu dieser Uhrzeit die Lösung sein.

15 bis 18 Uhr: Allgemeines Wohlbefinden verbessern

Eine kürzlich in der Zeitschrift Physiological Reports veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass der Körper nach einem Training am Nachmittag besser in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Die Studienwissenschaftler:innen stellten fest, dass im Vergleich zum morgendlichen Training das Training am Nachmittag bei Menschen mit Stoffwechselproblemen wie Prädiabetes zu einer verbesserten Insulinsensitivität führt – eine gute Nachricht.

Ein über den Tag hinweg verbessertes Blutzuckermanagement kann helfen, langfristige Gesundheitsprobleme wie Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern. Ein zusätzlicher positiver Soforteffekt, so die Studie: Dein Körper kann in diesem Zeitfenster mehr Energie haben, sodass du möglicherweise etwas intensiver trainieren und dadurch auch mehr Trainingserfolge erzielen kannst.

16 bis 20 Uhr: Muskelkraft maximieren

Wenn du beim Krafttraining am Nachmittag instinktiv mehr Gewicht auf die Langhantel legst, gibt es dafür einen Grund: Nachmittags erreicht die Fähigkeit deines Körpers, isometrische Kraftübungen durchzuführen, die auf die Griffkraft oder auf große Muskelgruppen wie den Quadrizeps abzielen, ihren Höhepunkt. Das ergab eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2020, die in der Zeitschrift Physiology veröffentlicht wurde. Deine Körpertemperatur ist am Nachmittag höher, so die Studienwissenschaftler:innen, was es den Muskeln leichter machen könnte, mehr Kraft zu erzeugen.

Ab 17 Uhr kannst du möglicherweise sogar länger trainieren, so das Ergebnis einer weiteren Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Applied Physiology, Nutrition and Metabolism. Grund dafür ist, dass dein Körper Sauerstoff jetzt besser aufnehmen und die beanspruchten Muskeln damit versorgen kann.

Kurz gesagt: Regelmäßiges Training am späten Nachmittag oder Abend könnte zu mehr Muskelkraft und Ausdauer führen. Und wer will das nicht?

19 bis 20 Uhr: Leichter erholen und regenerieren

Vielleicht hast du schon einmal gehört (oder vermutet oder sogar selbst erlebt), dass dich ein Training am späteren Abend wieder hellwach macht und du schlecht (ein)schlafen kannst. Eine in der Fachzeitschrift Experimental Physiology veröffentlichte Studie hat jedoch ergeben, dass ein Training am späteren Abend deinen Schlaf nicht mehr stört als ein Training zu anderen Tageszeiten. Aktive Nachtmenschen erlebten sogar eine längere REM-Schlafphase, also die Phase, in der der Körper Gewebe repariert und regeneriert. Das bedeutet, dass deine Regeneration durch ein Training zu dieser späteren Uhrzeit richtig angekurbelt werden kann.

Hier ein paar Tipps, damit dein spätabendliches Training nicht deinen Schlaf stört: Trainier mit moderater Intensität (d. h. mit einem Wert zwischen 4 und 6 auf einer Intensitätsskala von 1 bis 10) und beende dein Training mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen, so eine wissenschaftliche Studie, die in der Zeitschrift Sports Medicine veröffentlicht wurde.

Du siehst: Du kannst tatsächlich zu jeder Uhrzeit erfolgreich trainieren. Wenn du jedoch ein bestimmtes Ziel verfolgst, sei es Gewichtsverlust oder -zunahme, ist es besser, dein Training auf den Biorhythmus deines Körpers abzustimmen, um effektive Ergebnisse zu erzielen.

Text: Ashley Mateo
Illustration: Kezia Gabriella

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Ursprünglich erschienen: 27. April 2021

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