Hat kaltes Duschen nach einem Workout Vorteile?

Sport und Bewegung

Hier erfährst du Wissenswertes über deine kalte Dusche, die du zur schnelleren Regeneration nach deinem Workout nimmst.

Letzte Aktualisierung: 27. Juli 2022
8 Min. Lesezeit
Bringen kalte Duschen nach einem Workout Vorteile ein?

Es ist inzwischen sehr verbreitet, eine warme Dusche mit einem plötzlichen Schwall kaltem Wasser zu beenden, da dies für gesündere Haare sorgen und das Immunsystem stärken soll. Allerdings haben Studien herausgefunden, dass kalte Duschen wenn überhaupt nur geringe positive Effekte haben. Die Anwendung von kaltem Wasser ist nichts Neues. Es ist überliefert, dass Thomas Jefferson kaltes Wasser für Fußbäder verwendete, um "seine gute Gesundheit aufrechtzuerhalten". Aber lassen sich die angeblichen Gesundheitsvorteile kalter Duschen nach einem Workout auch wissenschaftlich belegen?

Speziell für Athlet:innen haben sich Kälteexposition oder Kryotherapie (Behandlung von abnormem Gewebe mit Temperaturen am oder um den Gefrierpunkt) in von Expert:innen begutachteten Studien als eine Möglichkeit herausgestellt, um nach einem anstrengenden Workout die Regeneration zu beschleunigen. Man könnte also leicht denken, dass eine kalte Dusche nach dem Workout zumindest einige derselben Effekte hervorruft, vor allem da diese Regenerationsmethode wesentlich einfacher und erschwinglicher ist.

"Die grundsätzliche Theorie, den Körper nach einem Workout abzukühlen, basiert auf der Überzeugung, dass kaltes Wasser die Anpassung des Körpers an das Training verbessern und die Fähigkeit, Höchstleistungen zu erbringen, wiederherstellen kann", erklärt Veronica Jow, M.D., Gründerin von und Ärztin bei Avid Sports Medicine in San Francisco. "Es wird angenommen, dass das Abkühlen Muskelkater, -schäden, -schwellungen sowie -entzündungen verringert. Allerdings lassen sich diese Annahmen nicht immer zu 100 Prozent wissenschaftlich belegen und hängen von [Faktoren wie] der Art, dem Zeitpunkt und der Häufigkeit des Trainings ab."

Hier findest du die Meinungen von Expert:innen dazu, ob eine kalte Dusche nach dem Training tatsächlich irgendwelche Gesundheitsvorteile mit sich bringt.

Expert:innen stellen vor: Dos and Don'ts beim kalten Duschen nach dem Workout

Es kann schon ganz schön verlockend sein, nach deinem Workout direkt unter die kalte Dusche zu springen, vor allem, wenn die Zeit knapp ist. Aber laut Karly Mendez, M.S. in Trainingsphysiologie und Spezialistin für menschliche Performance beim Memorial Hermann IRONMAN Sports Medicine Institute in Houston, Texas, wartest du nach deinem Workout lieber mindestens 20 Minuten, bevor du dir eine kalte Dusche gönnst.

"Das liegt daran, dass der Körper nach dem Workout Zeit braucht, um sich abzukühlen, insbesondere um die Herzfrequenz und die Körpertemperatur zu normalisieren", sagt Mendez. "Der Körper sollte wieder die Temperatur und Herzfrequenz von vor dem Training erreichen, um mit der Regeneration zu beginnen."

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Die American Heart Association erklärt, dass, wenn deine Herzfrequenz und Körpertemperatur nach einem Workout beide erhöht sind und du den Cooldown auslässt, du "ohnmächtig werden oder Übelkeit bekommen könntest". Deshalb empfiehlt Mendez, sich nach dem Workout fünf bis zehn Minuten lang abzukühlen und sich anschließend weitere zehn Minuten zu dehnen. Dann bist du bereit für eine kalte Dusche. Aber wie duscht man am effektivsten kalt? Spoiler-Alarm: Man springt nicht einfach unter einen kalten Wasserstrahl.

"Dusch dich zunächst lauwarm, damit der Körper aufgrund des Temperaturunterschieds keinen Schock bekommt", erklärt Mendez. "Wenn sich deine Körpertemperatur an die Wassertemperatur gewöhnt, kannst du das Wasser kälter drehen. Stell das Wasser in den letzten zwei Minuten deiner Dusche so kalt ein, wie du es ertragen kannst, und richte die Wasserstrahlen auf die wichtigsten Muskelgruppen."

Profi-Tipp: Sehr wahrscheinlich wirst du mit dem Duschkopf nur die Muskelgruppen am Oberkörper erreichen. Aber wenn du einen dualen Duschkopf mit einem losen Schlauch hast, dann ziel auch auf die Muskelgruppen am Unterkörper.

Zählt eine kalte Dusche schon als kaltes Bad?

Wenn du darauf spekulierst, ein kaltes Bad (wie ein Eisbad) mit einer kalten Dusche zu ersetzen, dann sei dir gesagt, dass das leider nicht dasselbe ist. Mendez betont, dass sich beide Methoden nicht nur hinsichtlich der Wassertemperatur drastisch unterscheiden, sondern auch, dass beim Duschen nicht dein gesamter Körper auf einmal dem kalten Wasser ausgesetzt ist.

"Bei einer kalten Dusche ist der Körper niemals vollständig dem kalten Wasser ausgesetzt, was es schwieriger macht, die volle Wirkung der kalten Temperatur zu erzielen", ergänzt Mendez.

Ein Artikel im Journal of Physiology aus dem Jahr 2017 erklärt, dass ein kaltes Bad keinen Einfluss auf die belastungsbedingten Entzündungsreaktionen nach dem Workout hat. Und das war nicht die erste wissenschaftliche Publikation, die zu diesem Schluss kam. Eine Studie aus dem Jahr 2007 zweifelt die Wirksamkeit eines Eisbads zur Prävention von Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness, DOMS) an.

"Im Grunde genommen sorgt das kalte Wasser für eine Vasokonstriktion, also das Zusammenziehen der Blutgefäße. Warmwasser hingegen sorgt für eine Vasodilatation, also eine Erweiterung der Blutgefäße", erklärt Jow. "Auch wenn angenommen wird, dass ein Eisbad nach einer Verletzung oder einem Workout der Regeneration zuträglich ist, könnte genau das Gegenteil der Fall sein. In der trainingsbasierten Forschung, die sich auf die Effekte auf Muskeln, Gelenke und Nerven konzentriert, gibt es unterschiedliche Theorien: [Unter anderem die, dass] die Wärmeanwendung direkt nach einem Workout potenziell Zellschäden verschlimmern kann."

Wenn du dennoch ein kaltes Bad in deine Routine integrieren möchtest, empfiehlt Sten Stray-Gundersen, Performance Coach und Trainingsphysiologe bei ROI Physical Therapy and Sports Performance in Austin, Texas, dies nicht direkt nach einem Workout zu machen. "Ein kaltes Bad kann die Proteinsynthese in den Muskeln hemmen. Wenn also Muskelwachstum an erster Stelle steht, sollte man sich die kalte Belastung entweder für vor dem Workout oder mindestens vier Stunden danach aufheben", erklärt er.

Nur zur Erklärung: Bei der Proteinsynthese in den Muskeln produziert der Körper Protein, um Muskeln zu reparieren, die durch Ausdauer- oder Widerstandstraining geschädigt wurden. Wenn also ein kaltes Bad diesen lebenswichtigen Prozess potenziell verhindert, dann könnte das sowohl deine Regeneration nach dem Workout als auch deine sportliche Performance beeinträchtigen.

Wenn das kalte Bad nicht so vorteilhaft ist, wie bisher angenommen, ist es dann okay, das Eisbad einfach durch eine kalte Dusche zu ersetzen? Auch wenn die wissenschaftlichen Ergebnisse zu kalten Duschen und Regeneration nicht so ernüchternd sind, sind sie dennoch auch etwas uneindeutig.

Bietet eine kalte Dusche nach dem Workout nun tatsächliche Vorteile?

Eine Studie aus dem Jahr 2019 im The Journal of Strength and Conditioning Research kam zu dem Schluss, dass eine kalte Dusche nach einem Workout einer schnelleren Erholung der Herzfrequenz entgegenstand. Das geschah jedoch, nachdem die Teilnehmer:innen in Temperaturen von 35 Grad Celsius und 40 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit Rad gefahren waren. In diesem Fall war die Schlussfolgerung der Autor:innen, dass eine kalte Dusche nur empfohlen werden könne, um die Belastung auf das Herz nach einem Workout in heißer Umgebung zu reduzieren.

Andere Untersuchungen konnten keine bemerkenswerten Unterschiede zwischen einer kalten Dusche und passiver Regeneration (wie einem Ruhetag) feststellen und weisen darauf hin, dass es womöglich einen psychologischen Vorteil haben könnte. Stray-Gundersen merkt an, dass Kältebelastung als kleiner "Muntermacher" wirken kann und so aufgrund der Antwort des sympathischen Nervensystems die Schmerzsymptome lindern kann.

Das American Institute of Stress merkt an, dass das sympathische Nervensystem unsere "Kampf-oder-Flucht-Reaktion" bei Gefahr oder in Stresssituationen kontrolliert. Wenn dieser Teil des Nervensystems aktiviert wird, wird ein plötzlicher Hormonschub freigesetzt, der zu Symptomen wie einer erhöhten Herzfrequenz oder sogar Zittern führen kann.

"Kältebelastung fördert die Vasokonstriktion, Exzitation und die Noradrenalin-Ausschüttung und sollte daher am besten morgens oder nachmittags erfolgen, um das Nervensystem für den anstehenden Tag in Schwung zu bringen", erklärt Stray-Gundersen. "Es ist auch eine gute Möglichkeit, mentale Stärke aufzubauen und sich an Unannehmlichkeiten zu gewöhnen."

Wenn du dir einen mentalen Schub verpassen willst, dann kann eine kalte Dusche nach dem Workout genau das Richtige sein. Allerdings ist es immer noch angeraten, vor der kalten Dusche einen ordentlichen Cool-down zu machen und dich zu dehnen.

Jow empfiehlt als echten "Cool-down" nach dem Workout eine Reihe Übungen speziell für die beanspruchten Körperteile zu machen, anstatt in ein Eisbad oder unter eine kalte Dusche zu hüpfen. Beispielsweise können sich Radfahrer:innen und Läufer:innen auf Übungen für den Unterkörper wie Leg Swings fokussieren. Tennisspieler:innen und Golfer:innen hingegen werden eher die Muskeln im Rücken und Oberkörper bearbeiten (bspw. Übungen für die Beweglichkeit der Schultern).

Sie erklärt, dass diese Übungen oftmals effektiver für die Regeneration sind als kaltes Wasser, da sie dem Körper die schrittweise Senkung der Körpertemperatur ermöglichen (anders als beim Schock von kaltem Wasser). Wenn du zu den Menschen gehörst, denen es einen mentalen Schub gibt, wenn sie ihre Dusche mit einem kalten Wasserstrahl beenden – denk an den potenziellen psychologischen Vorteil, den Studien vermuten lassen – dann ändere deine Routine selbstverständlich nicht.

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Verfasserin: Ashley Lauretta

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Ursprünglich erschienen: 21. April 2022

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