Sind kurze Schlafpausen gut? Expert:innen klären auf

Viele Menschen haben keine Zeit, außerhalb ihrer nächtlichen Schlafenszeit ein Nickerchen einzulegen. Diese können jedoch unabhängig von ihrer Länge einige Vorteile bieten. Schlafexpert:innen erläutern die Vor- und Nachteile von kurzen Schlafpausen und geben Tipps dazu, wie lang ein solches Nickerchen sein sollte, um die Qualität deines Nachtschlafs nicht zu beeinträchtigen.

"Allgemein gesagt sind Nickerchen gut und gesund", sagt Dr. Chris Winter, Autor von "The Sleep Solution" und medizinischer Leiter des Martha Jefferson Hospital Sleep Medicine Center. "Für die meisten von uns sind Nickerchen eine gute Sache", fügt er hinzu.

Jedoch sind sie vielleicht nicht für jeden von uns eine gute Lösung. Genauer gesagt, können sie die Gesundheit einer Person insgesamt verschlechtern, wenn sie statt der eigentlichen Ruhephase eingesetzt werden, unabhängig davon, ob diese (je nach Arbeitszeit) nachts oder tagsüber liegt, so Winter weiter.

Menschen, die einem Nickerchen kritisch gegenüberstehen, sehen sie vielleicht als das Gegenteil von Produktivität an. Aber laut Winter können kurze Schlafpausen die Produktivität am Arbeitsplatz, die Konzentration und die Stimmung verbessern.

"Normalerweise ist eine Person, die zur Mittagszeit ein 30-minütiges Nickerchen einlegt, am Nachmittag produktiver als eine Person, die versucht, von morgens bis abends durchzuschuften", so Winter.

Tatsächlich hat eine Studie, die 2021 in einer Ausgabe des International Journal of Environmental Research and Public Health veröffentlicht wurde, herausgefunden, dass ein Nickerchen am Nachmittag die kognitive Leistung und Aufmerksamkeit verbessern kann. Eine Pilotstudie, die 2015 in der Zeitschrift Personality and Individual Difference veröffentlicht wurde, kam derweil zu dem Schluss, dass kurze Schlafpausen die Impulsivität reduzieren und die Toleranz steigern.

Laut Winter ist ein Nickerchen an sich nichts Schlechtes oder Ungesundes. Aber einige Studien deuten darauf hin, dass häufige Nickerchen mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Erkrankungen einhergehen können.

Eine Studie aus dem Jahr 2022 in der Zeitschrift Hypertension ergab beispielsweise, dass regelmäßige Nickerchen ein 12 Prozent höheres Risiko für Bluthochdruck – und ein 24 Prozent höheres Schlaganfallrisiko mit sich bringen. Eine weitere Studie, die im Jahr 2022 im European Journal of Neurology veröffentlicht wurde, beschrieb eine ähnliche Beziehung zwischen kurzen Schlafpausen tagsüber und dem Schlaganfallrisiko.

Winter erklärt jedoch, dass die Nickerchen an sich nicht das Problem sind. "Wenn du regelmäßig tagsüber ein Nickerchen brauchst, kann das bedeuten, dass du nachts regelmäßig schlecht schläfst", so Winter. Dies wiederum könnte ein Anzeichen für eine chronische Schlafkrankheit wie Schlaflosigkeit oder chronischen Stress sein. Anders gesagt: Nickerchen können deiner Gesundheit insgesamt schaden, wenn du diese nutzt, um deinen kontinuierlich schlechten Nachtschlaf auszugleichen.

"Du kannst deinen Nachtschlaf langfristig nicht durch Nickerchen ersetzen", sagt Shelby Harris, lizenzierte klinische Psychologin und Clinical Associate Professor für Neurologie und Psychiatrie am Albert Einstein College of Medicine.

Wenn du nachts kontinuierlich zu wenig schläfst, riskierst du, regelmäßig zu wenig leichten und tiefen REM-Schlaf zu bekommen, fügt sie hinzu. Langfristig gesehen kann dies dein Risiko für Krankheiten wie Fettleibigkeit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern und sogar tödlich enden.

Wenn du nachts gut schläfst, kann ein Power-Nap von 20 Minuten am frühen Nachmittag gut für deine Produktivität, Energie und Stimmung sein, so Harris. Es ist jedoch etwas anderes, ob man von einem Nickerchen profitiert oder eines braucht.

"Wenn du die meisten Tage nicht ohne mehrere Schlafpausen überstehst oder das Gefühl hast, dass dich diese nicht wacher machen, solltest du mit einer Fachärztin oder einem Facharzt für Schlafmedizin sprechen", fügt sie hinzu. Dies könnten Anzeichen für Schlafapnoe oder andere chronische Schlafkrankheiten oder allgemeine Erkrankungen sein.

Die Dauer der Schlafpause, die Tageszeit dafür und die Schlafhygiene können die Qualität deines Nickerchens beeinflussen.

Text: Gabrielle Kassel